
Smart Home & AAL
Smart Home:
In unseren Autos haben wir uns an eine Vielzahl komplexer elektronischer Funktionen gewöhnt, beziehungsweise werden von uns als selbstverständlich angesehen. Das Fahren wird dadurch sicherer, komfortabler und unterhaltsamer.
Wir nutzen Fahrerassistenzsysteme für mehr Sicherheit. Lassen uns von 360-Grad-Kamerasysteme die Umgebung zeigen. Steigen ohne Schlüssel in das Fahrzeug dank Keyless Entry. Lassen uns die Sicht auf den Straßenverlauf mittels adaptiver Beleuchtung verbessern. Nutzen die Navigation des Infotainment-Systems für sicheres Erreichen eines Ortes. Kommunizieren während der Fahrt über diverse Einbauten mit anderen Menschen. Sprechen mit der KI und lassen uns mittels Musikstreaming die Zeit vertreiben. Inzwischen stecken in Autos eine unglaubliche Fülle vernetzter digitaler Systeme, die miteinander interagieren.
In unseren Gebäuden in Deutschland sieht es dagegen viel konservativer aus. Wenn Digitaltechnik Einzug erhält, sind dies meist Insellösungen. Wir haben uns Alexa ins Haus geholt, fragen nach dem Wetter und steuern vielleicht das Licht damit. Wir nutzen vielleicht ein smartes Türschloss ohne Schlüssel. Vielleicht haben wir auch elektrische Gurtwickler mit Fernbedienung für unsere Rollos im Einsatz. Dann ist im Keller die Heizung installiert, die wir mit einer App über eine Cloud steuern können. Eine andere App zeigt uns grafisch, wie es um unsere PV-Anlage mit Speicher steht. Das Treppenlicht wird zeitlich gesteuert. Das Garagentor geht auf Knopfdruck auf und zu. Ein Rauchmelder warnt uns vor Erstickungsgefahr. Ein Wasserleck-Sensor piepst laut vor sich hin. All diese Systeme interagieren nicht miteinander. Es sind Insellösungen.
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Warum sollen wir sie vernetzen? Weil wir es uns ökologisch nicht mehr leisten können und wollen, Ressourcen zu verschwenden. Weil auch unsere Ansprüche an Sicherheit und Komfort steigen. Weil wir dadurch auch viel mehr Spaß haben können!
Ich denke gerne an die Zeit zurück, als meine Mutter vor einigen Jahren jedem stolz erzählt hat, dass Alexa bei ihr eingezogen ist, oder an unserem Nachbarn, der kaum noch Lichtschalter betätigt, sondern lieber mit dem freundlichen Hausgeist spricht.
Apropos Lichtschalter: Im klassischen Sinn wird ein Lichtschalter zwischen der 230V-Stromversorgung und dem Leuchtmittel installiert. Wird mit Hilfe des Schalters der Stromkreis unterbrochen, bleibt die Leuchte dunkel. Schaltet man um, wird der Stromkreis geschlossen und der Raum erhellt sich.
Ein smarter Lichtschalter hingegen ist unabhängig von der Stromquelle des Leuchtmittels. Es kann über Batterien oder Akkus betrieben werden oder über einen anderen Stromkreis an ganz anderer Stelle im Raum. Der smarte Lichtschalter beziehungsweise Taster meldet die Information, dass er ausgelöst wurde, an seine Zentrale. Die Zentrale entscheidet anhand der Programmierung, welche Reaktion erfolgen soll. Die Software ist das Bindeglied zwischen Taster und Lampe. Möchte man dem Taster später ein anderes Gerät oder Funktion zuordnen, wie zum Beispiel das Bedienen eines elektrischen Rollos, reicht die Umstellung per Umprogrammierung. Es muss keine neue Leitung gezogen werden. Dies vereinfacht auch den Weg für smarte Lichtkonzepte und die Implementierung von zirkadianem Licht.
In einem smarten Heim können aber auf viele Schalter beziehungsweise Taster verzichtet werden. Es gibt eine Reihe von Sensoren, die Aktionen auslösen können, zum Beispiel Radar-Sensoren, die erkennen, ob sich gerade jemand im Raum befindet; oder die eingegebene Weckzeit, die anhand des Aufweckprogramms Lichter und Rollos steuert.
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Smart Home ist kein technischer Selbstzweck, sonst hat man bei der Planung etwas falsch gemacht. Ein Smart Home nimmt uns Routinearbeiten ab, wenn wir möchten. Es kann unsere Energiesysteme regeln und sparen helfen. Auffälligkeiten werden uns gemeldet. Es versorgt uns mit Informationen wie Wasser- und Energieverbrauch, um bessere Entscheidungen treffen zu können.
Dabei muss ein Smart Home nicht teuer sein. Viele Firmen, gerade aus China, überschwemmen uns förmlich mit günstigen Produkten. Es muss also kein teures KNX sein. Eine durchdachte Kombination verschiedenster Hersteller und Produkte mit Ausnutzung von Synergieeffekten lassen die Kosten senken. Smart Home Produkte müssen nicht Jahrzehnte lang halten. Dafür sind die Innovationen in diesem Bereich zu häufig. Auch ändert sich die Art, wie wir mit Dingen umgehen. Früher war ein mechanischer Schalter Standard, heute ist es die Touch-Bedienung oder die Sprachsteuerung. Wie werden wir Geräte in Zukunft bedienen?
Ein Smart Home System sollte für zukünftige Entwicklungen bereit sein. Wie ein Garten im Wandel ist, so wandelt sich das smarte Zuhause.
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Stolpersteine gibt es genug. Hier heißt es aufpassen! Manche Hersteller "mauern" noch. Sie wollen ihre Schnittstellen nicht offen legen und zwingen dem Käufer beziehungsweise der Käuferin ihr digitales Ökosystem auf.
Inzwischen haben aber immer mehr Firmen verstanden, dass diese Haltung dem Verkauf ihrer Produkte eher schadet. Die Bereitschaft mit Open Source Plattformen zusammen zu arbeiten und dadurch einen besseren Ruf zu erlangen steigt stetig. Gerade Firmen aus dem Bereich Consumer-Elektronik drängen verstärkt auf den riesigen Smart Home Markt. Durch die hohen Stückzahlen wird es eng für manch alt eingesessene Herstellerfirma.
Geräte, die nur eine App-Steuerung haben und keine offene API, sind für Smart Home Vernetzungen ungeeignet, wenn nicht pfiffige Leute durch Reengineering diese Sperre unterwandern oder gar alternative Firmware bereitstellen.
Kommen wir zum hart umkämpften Bereich der Steuerzentralen. Je nach Plattform werden unterschiedliche smarte Komponenten unterstützt. Einige funktionieren nur mit der Hersteller-Cloud, andere laufen datenschutzfreundlich lokal. Manche Plattformen verfolgen einen offenen Ansatz, um ein möglichst breites Spektrum abzudecken. Andere unterstützen nur die eigenen Geräte der Herstellerfirma. Einige Smart Home Zentralen verlangen viel Einarbeitungszeit, andere sind sehr intuitiv zu bedienen. Und dann gibt es noch alle möglichen Mischformen.
Je nach Ziele und Ansprüche gibt es unterschiedliche Empfehlungen.
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Falls Sie ihrem Gebäude oder ihrer Wohnung eine umfassende Sanierung zuteil werden lassen oder neue bauen, denken sie an ihre Use Cases, um die notwendigen Unterputz-Leitungen für Vernetzung und Stromversorgung zu planen, auch wenn vieles über Funk laufen wird.
Wo benötige ich Power-Over-Ethernet (PoE)? Nutze ich ein lokales DC-Netz? Möchte ich USB-C-Anschlüsse mit PD und Ethernet? Möchte ich Wasser smart steuern?
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Denken sie auch an das Leben im Alter und überlegen sie, welche Vorteile sie von einem smarten Heim erwarten.
AAL:
Der Übergang zwischen Smart Home und AAL ist fließend. Ambient Assisted Living oder auch Active Assisted Living (AAL) umfasst Systeme und Dienstleistungen im (eigenen) Zuhause, um möglichst lange selbständig, aktiv und selbstbestimmt leben zu können. Dabei kann AAL auch Angehörige und Pflegepersonal unterstützen.
Meist werden bei uns in Deutschland Hausnotrufsysteme für (zeitweise) allein lebende Personen betrieben, die mit einer Notrufzentrale gekoppelt sind. Versucht der klassische Hausnotruf sich mit der Zentrale zu verbinden, ist man in die 90er Jahre versetzt, als es noch analoge Modems gab, die sich lautstark piepsend und zischend eingewählt haben. Neuere Systeme gibt es je nach Anbieter inzwischen auch.
Hausnotrufanbieter bieten teilweise auch zusätzliche Services an: Wird innerhalb einer vereinbarten Zeit keine Taste am Gerät gedrückt, erfolgt ein Kontrollanruf.
Auch meine allein lebende Schwiegermutter hatte solch ein Gerät. Allerdings hat es sie sehr gestresst, immer daran zu denken, rechtzeitig zu drücken. Außerdem landete der Notrufknopf sehr schnell in einer Schale und wenn wirklich etwas passiert ist oder Hilfe benötigt, hat sie uns direkt über die Kurzwahltaste von einen der vielen verteilten DECT-Telefone angerufen.
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Heute nutzen wir Trigger, um festzustellen, ob es eventuell ein Problem gibt. Da es bei jedem Menschen einen gewissen Tagesablauf und Routinen gibt, können wir darauf aufsetzen.
Dafür setzen wir Sensoren aus dem Smart Home Bereich ein, um Rückschlüsse zu ziehen. Wird der Kühlschrank geöffnet, können wir daraus schließen, dass meine Schwiegermutter je nach Uhrzeit Frühstück, Mittagessen oder das Abendessen vorbereitet. Bleibt ein Trigger in einem dieser Intervalle ohne bekanntem Grund aus, deutet dies auf ein mögliches Problem hin. Anhand weiterer Sensoren lassen sich mögliche Alarmsituationen reduzieren. Sinnvoll sind auch Bewegungssensoren im Gang, die zusätzlich auch das Licht steuern können und ebenso ein Sensor für die Wohnungseingangstür, um beispielsweise zu erkennen, ob früh die Zeitung hereingeholt wurde.
Mit Hilfe eines solchen Sets aus Sensoren konnten wir wesentlich früher eine Notfallsituation erkennen und eingreifen, als mit Notrufknopf und Co. Dies lag auch daran, dass sich meine Schwiegermutter bei Fieber, Bluthochdruck oder anderen akuten Problemen in ihr Bett oder auf die Couch zurückzog, in der Annahme, dass es ihr dann gleich wieder besser gehen wird. Ich gehe davon aus, dass es viele Personen gibt, die sich auch so verhalten.
Aus Rücksicht auf Privatsphäre sollte man so sparsam wie möglich mit der Anzahl der Sensoren umgehen und die Art der Sensoren "behutsam" auswählen. Je nach Bedarf kann man weitere Sensorik dann später hinzufügen.
Es gibt eine ganz Reihe von Sensortypen, die im AAL-Umfeld sehr gut eingesetzt werden können. Ein Präsenzsensor im Schlafzimmer oder ein Radar-basierter Sturzsensor im Bad verbessern die Erkennung eines Notfalls.
Dabei werden die Sensordaten nicht nur grafisch "aufgehübscht" auf verschiedenen Devices präsentiert, sondern anhand von Regeln kombiniert und gegebenenfalls Alarm-Nachrichten an Smartphones geschickt.
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Welt von AAL. Smarte Lampen mit Spracherkennung und 360-Grad-Kameras lassen sich ebenso einsetzen, wie vollflächige Sensorböden. Neue (Arzt-)Termine lassen sich aus der Ferne im Online-Kalender eintragen und über einen lokalen Sprachassistenten abfragen. "Welche Termine habe ich heute?"
Durch die aktuell rasante Entwicklung im Bereich Robotik werden viele von uns in einer nahen Zukunft auf Rollatoren und Rollstühle nicht mehr angewiesen sein, sondern werden vielleicht Exoskelette nutzen, um die geschwächten Muskeln mit Kraft zu unterstützen und zu trainieren. Dann ist es vielleicht obsolet breite Türen einzubauen, um den nötigen Platz für Rollstühle zu bieten. Oder die zukünftigen Rollstühle werden durch Technologien aus der Robotik kompakter und pfiffiger. Die Preise der ersten Produktgenerationen werden vermutlich noch sehr hoch sein, doch sobald sie im Mainstream-Markt angekommen sind, werden sie stark nach unten korrigiert.
Meine Schwiegermutter bräuchte so ein Exoskelett jetzt schon. Noch sind sie sehr klobig und meist nicht dafür ausgelegt. Ob sie es akzeptieren würde, ist eine ganz andere Frage. Nach anfänglicher Skepsis wird sie vermutlich doch diese Hilfe annehmen, um möglichst selbständig agieren zu können.
Das erinnert mich gerade an den Kurzfilm "Wallace and Gromit: The Wrong Trousers" aus dem Jahre 1993. Mit Horror-Szenarien lassen sich bekanntlich viel Aufmerksamkeit erzielen.
Wenn man bedenkt, welche technologischen Entwicklungssprünge in den letzten Jahren stattgefunden haben und dies immer schneller passiert, wird es nicht mehr lange dauern.