Bild: KI-generiert

Gebäudedigitalisierung

Die klassische Gebäudeplanung sieht vor, dass ein Architekt zusammen mit dem Auftraggeber des Bauprojekts und mit Hilfe von Nachfragen an Firmen ein Konzept und einen Plan entwickelt. 

Erst im nachfolgenden Schritt werden die Detailpläne mit den Firmen für die einzelnen Gewerke erarbeitet. Dabei sind die Planungsbereiche üblicherweise getrennt. Der Elektriker plant seine Installationen und hat normalerweise keine Berührungspunkte mit dem Wasserinstallateur. Nur die Stromversorgungen müssen zu den anderen Gewerken sicher gestellt sein.
Auch muss sich der Fensterbauer nicht mit der Heizungsfirma  genau abstimmen. Er muss hier eher die Einhaltung der vorgegebenen Wärmeverluste berücksichtigen. Jeder hat seinen Verantwortungsbereich, den er ausgestalten kann. 
Ein Gebäude zu bauen, ist ein sehr komplexes Unterfangen mit vielen Fallstricken, deshalb ist die konservative Haltung mancher Firmen kein Wunder und sehr nachvollziehbar.

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Inzwischen wird von einem Gebäude immer mehr abverlangt. Es soll energie- und umweltschonend betrieben werden können, auf zukünftige Nutzungsänderungen vorbereitet sein und immer mehr Komfort und Sicherheit bieten. 

Um ein Gebäude effizienter zu betreiben, Ressourcen zu schonen und Prozesse zu optimieren, müssen die zuvor einzelnen Gewerke und Sektoren inzwischen viel enger zusammenarbeiten. 

Gibt es Stromüberschuss durch Solar oder auf dem Strommarkt (dynamischer Stromtarif), werden vermehrt Geräte eingeschaltet, Akkus geladen und vielleicht lokale KI-Berechnungen durchgeführt. 
Wird sensorisch erkannt, dass sich in einem Zimmer keiner mehr aufhält, wird automatisch die Beleuchtung umgeschaltet und bestimmte Geräte in den Standby versetzt oder ausgeschaltet. Wurden Armaturen schon lange nicht mehr benutzt (Wochenend-Urlaub), wird eine Hygienespülung vorgeschlagen. Hat man den Einlauf des Badewassers vergessen, weil ein Anruf dazwischen kam. Kein Problem: Das vernetzte System schaltet den Einlauf nach Erreichen eines eingestellten Pegels oder nach Zeit automatisch aus und meldet dies. Offenes Fenster vergessen? Wird gemeldet. Für die positive Tagesform der Bewohner sorgt das zirkadiane Licht im Gebäude. Für einen Überblick von Erzeugung, Verbrauch und Kosten sammeln Sensoren stetig Daten. 
Gesteuert wird über Sensorik (Automation), Sprache, Smartphone, Tablets, PCs, (kleinen) Wand-Displays und mit Touch-Oberflächen - je nach den Wünschen und Vorlieben der Nutzer. 

Ich könnte noch viele weitere Use Cases anführen, aber sie erkennen vielleicht schon, worauf es hinausläuft: ein mit allen Geräten vernetztes System. 
Dafür braucht es eine digitale Infrastruktur im Gebäude, die auch spätere Upgrades (durch verbesserte Technik, neue Wünsche oder andere Raumnutzung) zulässt. 

Wir leben in einer sich schnell weiterentwickelnden Digitaltechnik-Welt. Dabei veraltet die genutzte Technik meist sehr schnell. Wir merken dies auch bei unseren Smartphones, die nach wenigen Jahren von uns ausgetauscht werden. Dies macht auch in der Gebäudetechnik nicht halt. Auch Bedienkonzepte  ändern sich: Bedienung durch Tasten und Schalter, Touch, Gesten, Sprache und vielleicht in Zukunft mit Gedanken. 
Hier sollte flexibel vorausgedacht werden, um nicht in Sackgassen zu landen. Deshalb ist die Entkopplung von Sensor und Aktor wichtig. Ein Lichtschalter beziehungsweise Taster ist nicht über eine 230-V-AC-Leitung mit einer Leuchte verbunden, sondern sind völlig getrennt voneinander. Der Taster kommuniziert erst einmal seinen Zustand an eine Steuereinheit, die dann eine programmierte Aktion ausführt. Dies können ein oder mehrere Leuchten sein oder Rollos, Lüftungsanlage, Beamer, Luftbefeuchter, Hilferuf, um nur einige zu nennen. Durch diese Trennung müssen später keine Leitungen neu verlegt werden. Eine  Anpassung der Programmierung reicht aus. 

Aber nicht nur elektrische Geräte lassen sich über verschiedene Bedienkonzepte steuern. Auch mit Wasser lässt sich so verfahren. Ein Sprachbefehl unter der Dusche veranlasst Änderungen an Temperatur, Wassermenge. Eine Geste im Waschbecken steuert den Wasserhahn. 

Technische Aktualisierungen im Gebäude verlangen teilweise andere Platzierungen. Verschiedene WLAN-APs decken Bereiche unterschiedlich ab. Durch Veränderung der Position kann man optimieren und Geräte einsparen. 
Manche Radar-Sensoren benötigen eine Einbauposition unterhalb der Decke, andere an der Wand in eineinhalb Metern über Bodenhöhe. 
Da in der Digitaltechnik in kurzer Zeit viele Fortschritte erzielt werden, kann durchaus auf Mainstream-Produkte zurückgegriffen werden, die um Kosten zu senken. Sensoren müssen nur einige Jahre durchhalten, bevor sie durch wesentlich bessere ausgetauscht werden. Die Sicherstellung für Ersatz für mehrere Jahre oder Jahrzehnte wird nicht mehr so relevant. 

All dies muss vor Baubeginn eingeplant werden. Manchmal erreicht man die notwendige Flexibilität durch abnehmbare Wandpanele, Revisionsklappen, Leitungsschächte und Leerrohre. 

Viele Fragen müssen außerdem noch beantwortet werden: Wo ist Platz für die Servicestationen der Putzroboter? Können Roboter mit den Aufzügen kommunizieren? Gibt es elektronische Schiebetüren? Sind alle Subsysteme der verschiedenen Gewerke über offene APIs zugreifbar? 

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Als Benefit eines stark vernetzten digitalisierten Gebäudes tragen Synergieeffekte zur Reduzierung der Baukosten bei. Ein Lüfter einer dezentralen Lüftungsanlage muss keine eigenen Sensoren mitbringen. Die Steuerung übernimmt das digitale Gebäudeleitsystem. Auch verschiedenartige Sensoren in Kombination generieren zuverlässigere Werte, um Aktionen auszuführen. 

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Wir sind inzwischen an einem Punkt angekommen, bei dem Architektur und digitale Gebäudetechnik viel enger zusammen arbeiten müssen. Änderungen in der Planung der Digitaltechnik zieht teilweise auch Änderungen am Gebäude nach sich. 
Benötigt der Einsatz von Robotern eigene Räumlichkeiten wegen behördlichen Vorschriften? Ist die Dockingstation des Exoskeletts nah genug zum Einsatzort, um lange Wege zu vermeiden? Gibt es die notwendigen Nischen und Einbauplätze? 

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In der neuen Gebäudeplanung muss die Digitalstrategie für das entstehende Gebäude mit der Architektur im Einklang sein. Vorausschauende Planung ermöglicht einfachere Erweiterung der Funktionen.
Dabei sollte der Fokus der Gebäude-Nutzer auf keinen Fall aus den Augen verloren werden. Eine frühzeitige Einbindung mit Workshops kann die Akzeptanz begünstigen. Die Meinungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind essenziell, da sie die Abläufe durchleben und wissen, wo die Schwachpunkte in den Konzepten liegen. In manchen Ländern entscheiden die sich selbst organisierenden Beschäftigten direkt, ob und welche technischen Hilfsmittel eingesetzt werden. 

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Bei größeren Projekten, die sich über Jahre der Planung und des Bauprojekts hinziehen, sollte die Entscheidung, welche Geräte genau zum Einsatz kommen, sehr spät getroffen werden. Sonst ist die einzubauende Technik veraltet, bevor sie in Betrieb geht. Eine gute Einschätzung, wie sich die Technologie weiterentwickelt, ist deshalb essenziell, ebenso die vorbereitete Infrastruktur. 

 

Anmerkung: 
Neben den Smart Building Stufen 0 bis 4 (manuelles Gebäude, assistierendes Gebäude, teilautomatisiertes Gebäude, vollautomatisiertes Gebäude, autonomes Gebäude) gibt es noch den Begriff "Software Defined Building". 

Es entstand aus dem Begriff "Software Defined Radio". Dies bezeichnet eine digitale Hardware, die nur durch seine Programmierung unterschiedliche Geräte darstellt. Je nach programmiertem Funkfrequenzspektrum ist das Gerät einmal ein Radioempfänger, ein Radiosender, Digital-TV-Empfänger, Funk-Autoschlüssel, Störsender, GPS-Empfänger, Funkfernbedienung, Wetterdatenempfänger und so weiter. 

Neben "Software Defined Storage", "Software Defined Network", "Software Defined Vehicle" und anderen Kombinationen möchte man mit "Software Defined Building" die Flexibilität einer sehr weitreichenden digitalen Infrastruktur hervorheben: Das Gebäude kann sich durch Programmierung den neuen Bedingungen und den neuen Technologien anpassen. Es kann flexibel sowohl auf externe Faktoren wie Wetter und Ressourcen, als auch auf individuelle Bedürfnisse der Bewohner und Bewohnerinnen adaptiert werden.